Bürgerbusse werden allenthalben als der Problemlöser für angeblich mangelnden ÖPNV propagiert. Auch für Wörsdorf gab es eine solche Diskussion.
Erfunden wurde diese Art von Verkehrsprojekt in den 1960er Jahren in England mit der Bezeichnung des „Voluntary Transport“. Dieses Konzept wurde zunächst in den Niederlanden entwickelt mit der Bezeichnung „Buurt Busse“. Es wurde mit dem Anspruch „Hilfe zur Selbsthilfe“ als Mobilitätsangebot in den 1970ern propagiert. Die Initiative eines solchen Projektes ging von Bürgern aus, die ein Mobilitätsproblem besaßen, und die sich gemeinsam mit der Gründung eines Vereines für die Mobilisierung ihrer Problemregion einsetzen und Lösungskonzepte erarbeiteten.Wichtigste Eigenschaft dieser Bedienform ist die ehrenamtliche Tätigkeit. Die Fahrer der Bürgerbusse sind ehrenamtlich tätig und fahren unter dem Motto: „Bürger fahren Bürger“ vergütungsfrei.
Dies ist eine Möglichkeit, besseren ÖPNV dort zu bieten, wo der Staat seiner Aufgabe als Garant für eine Mindestversorgung nicht nachkommt oder nachkommen kann, weil die Nachfrage insgesamt zu gering ist, also in der abgelegenen Bereichen, wo gar keine oder nur geringe Verbindungen in das nächste Zentrum vorhanden sind.
Davon kann in Wörsdorf nicht die Rede sein. Wir haben grundsätzlich mindestens einen Stundentakt in die Kernstadt, auch die Bahn ist eine Alternative. Dies wird auch in Wörsdorf mit erheblichem Kostenaufwand und erheblichen Steuermitteln umgesetzt, denn Fahrkartenerlöse decken die Kosten unter guten Umständen zu ca. 50%. So will bspw. die Stadt Idstein in ihrem Haushalt 2021 ca. 400.00 € für ihren ÖPNV ausgeben, der Haushalt des Rheingau-Taunus Kreises sah 2018 6 Mio € Umlage an den Aufgabenträger des Kreises „Rheingau-Taunus Verkehrs GmbH“ (RTV) vor. Die Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH (RMV) arbeitete 2017 mit einem Preisdeckungsgrad von 56 %, was ein aus Steuermitteln zu deckender Betrag von ca. 395 Mio € bedeutet. Es sollte daher sichergestellt werden, dass dieses aus Steuermitteln zu wesentlichen Teilen finanzierte Angebot nicht durch außerhalb dieses Systems generierte Angebote geschwächt wird; dies entspricht auch der Konstruktion des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) hinsichtlich der Regeln des ÖPNV und den Landes-ÖPNV-Gesetzen. In den kommunalen (und regionalen) Nahverkehrsplänen wird das politisch gewollte Nahverkehrsangebot fixiert und dessen Finanzierung festgelegt. Nur so kann zudem unfairer Wettbewerb durch Anbieter vermieden werden, die Kostenvorteile dadurch haben, dass sie den allgemeinen Pflichten des ÖPNV nicht nachkommen müssen wie Fahrplan-, Beförderungs- und Betriebspflicht. Es ist insgesamt also zu fragen, wie sichergestellt werden soll, dass ergänzende Anbieter, die mit naturgemäß niedrigeren Kosten, insbesondere beim Personal, arbeiten können, die Nachfrage nach öffentlichen Nahverkehrsleistungen tendenziell nicht schwächen, ohne dass die öffentlichen Anbieter darauf angemessen reagieren können, was im Übrigen kurzfristig auch gar nicht möglich ist. Denn der Kostenblock Personalkosten durch ehrenamtlich tätiges Fahrpersonal fällt weg ebenso wie weitere Kostenelemente wie u.a. z.B. Abschreibungen durch den geförderten Fuhrpark.
Zwar sollen nach den Vorgaben der Landesregierung Bürgerbusse nur da tätig werden und anbieten, wo keine öffentlichen Angebote vorhanden sind. Laut Hessischem Wirtschaftsministerium solle kein Konkurrenzverhältnis zum allgemeinen ÖPNV stattfinden. Es sollen nur bestimmte Bürgergruppen wie z.B. ältere und wenig mobile Personen befördert werden. Wie das aber abgegrenzt werden soll, bleibt offen und dürfte mangels Kontrollmöglichkeiten ins Leere laufen..
Die Einrichtung eines solchen Konzepts in Wörsdorf wäre am Ende kontraproduktiv. Es würde zum Einen das „Ehrenamtsprinzip“ auf Dauer gefährden und das Ehrenamt überfordern. Zum anderen würde es die grundsätzlich befriedigende ÖPNV-Versorgung für Wörsdorf gefährden, denn wenn wesentliche Nachfrageteile auf ein Ehrenamt „Bürgerbus“ übergingen, würde es die Basis für den „Regel-ÖPNV“ schwächen und tendenziell zu dessen Abbau führen. Damit wären auch Bestrebungen gefährdet, das vorhandene Angebot mit erheblicher Haushaltsbelastung auszubauen. Die Umsetzung der sicher nicht billigen Idee, beispielsweise den „Idstaaner“ auch in die Ortsteile fahren zu lassen, wäre sicher zusätzlich erschwert. Dies aber ist vor dem Hintergrund der aktuellen Klimaschutzdiskussion kontraproduktiv. Dass auch Bürgerbuskonzepte dazu neigen, zu wachsen und damit in ein Konkurrenzverhältnis mit dem Regel-ÖPNV zu gehen, kann am Beispiel der jüngsten Aktivitäten in Waldems-Esch und Heftrich besichtigt werden: Zusätzliche Verkehrstage sollen angeboten werden, früher gewerblich angebotene Shuttle-Dienste zum „Alteburger“ Markt werden aktiv beworben.
Wörsdorf, 21.Dez.2020
Peter Niere