Die Bestattungskultur in unserem Land hat sich in den letzten Jahren gewandelt, dieser Prozess ist weiter im Fluss. Die Ansichten über die Gestaltung des Überganges nach dem Leben sind vielschichtiger geworden, die Ansprüche an das Gedenken haben sich geändert und die Behandlung ihrer sterblichen Überreste durch die noch Lebenden werden sind von mehr Rationalität bestimmt.
Es geht heute bei vielen anonymen Bestattungen darum, dass sich die Hinterbliebenen aus verschiedensten Gründen (z.B. durch weit entfernte Wohnorte) nicht in der Lage sehen, die Verpflichtung zu übernehmen, die Grabstelle für 20 oder mehr Jahre zu pflegen und in einem guten Zustand zu halten. Ebenso haben sich häufig die Familienstrukturen geändert, Kleinfamilien oder Paare ohne Kinder nehmen zu, sodass die noch Lebenden eine geringere Belastung der noch vorhandenen wenigeren Hinterbliebenen sicherstellen wollen. Auch die i.d.R. günstigeren Kosten einer anonymen oder teilanonymen Bestattung spielen eine zunehmende Rolle. Das ist unter anderem auf die Abschaffung des Sterbegeldes zurück zu führen, das früher die Krankenkassen bezahlt haben
Nach wie vor bildet das christliche Sittenbild auch bei der Frage des Todes und den Umgang damit und eine skeptische Sichtweise anonymer Beerdigung eine wichtige Rolle. Dies soll keinesfalls eingeschränkt werden. Aber es muss andererseits zur Kenntnis genommen werden, dass in der Gesellschaft insgesamt Religiösität abnimmt, wie der Mitgliederschwund bei den christlichen Kirchen zeigt, und deshalb auch religiös und christlich ungebundene Menschen selbst entscheiden können sollten, wie mit ihrem Tod umgegangen werden soll. Alleine deshalb schon sollten anonyme Bestattungsformen ergänzend angeboten werden.
Dem haben die Friedhofssatzungen in den letzten Jahren, auch in Idstein, Rechnung getragen. Gleichwohl ist noch mehr Flexibilität bei der Bestattungspraxis bei Urnen wünschenswert. Deshalb sollte auch die Idsteiner Friedhofssatzung, bezogen auf Wörsdorf, neben der grundsätzlichen Zulassung weiteren Spielraum bei anonymen Grabstätten eröffnen und die Möglichkeit zulassen, zusätzlich auch Grabfelder über reine kennzeichnungsfreie Rasenfelder hinaus, wie dies zur Zeit § 17a, Abs. 4 der Idsteiner Friedhofssatzung vorgibt, zu gestalten. Dies könnten z.B. sein:
- Gepflegte Rasenfelder und Ergänzung mit einer Sammeltafel, einem Stein oder einer Stele mit Namen Verstorbenen bei selbst nicht gekennzeichneten Urnenplätzen,
- Gestaltete Garten- / Steingartenflächen und Ergänzung mit (oder ohne) einer Sammeltafel, einem Stein oder einer Stele mit Namen bei selbst nicht gekennzeichneten Urnenplätzen.
und als weitere Alternative
- Ein Aschestreufeld mit entsprechender gärtnerischer Gestaltung ohne weitere Kennzeichnung.
Letztendlich bietet der Wörsdorfer Friedhof zunehmend Freiräume durch die stark zurückgegangenen Erdbestattungen. Diese sollten genutzt werden, um zugleich auch auf landschaftsgestalterisch anspruchsvolle Weise einen ansprechenden und in einer einem Friedhof angemessenen Form einen Ort des Erinnerns und der Trauer für jede Form der Bestattungen zu schaffen. Zugleich muss dementsprechend die Gebührenordnung angepasst werden, damit der Haushalt der Stadt Idstein nicht belastet und diese ergänzende Form der Bestattungskultur kostenneutral für die Stadt umgesetzt werden kann.
All dies hatte der Ortsbeirat bereits vor drei Jahren angeregt. Leider ist die Idsteiner Friedhofsverwaltung bislang nicht darauf eingegangen, in Idstein selbst gebe es diese Möglichkeit. Dies ist schade, denn gerade vor dem Hintergrund zunehmender Freiflächen auf dem Friedhof Wörsdorf wäre dies eine gute Möglichkeit, zugleich landschaftsgestalterisch ansprechende Lösungen zu finden und damit auch vor Ort allen Ansprüchen an eine moderne Bestattungskultur Rechnung zu tragen. Natürlich kostet dies Geld und muss sich über die Gebühren finanzieren, aber das Argument, dass man alle Idsteiner Friedhöfe müssten adäquat ausgelastet sein, sollte in diesem Fall zurücktreten.
Wörsdorfpitt 30.10.2021